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HAN MARIE STIEKEMA


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THEMEN 1
1.1 * 1.2 * 1.3 * 1.4 * 1.5

THEMEN 2

1.6 * 1.7 * 1.8

THEMEN 3

1.9 * 2.0

THEMEN 4

2.1 * 2.2 * 2.3 * 2.4

THEMEN 5

2.5 * 2.6 * 2.7

 

EUROPÄISCHES SAKRALES ERBE
GRÜNER MANN UND WEISE FRAU

Urbilder der abendländischen Kultur

Themen 2

1.6  DAS GANZE LEBEN

Die folgende Frage wurde gestellt: "Wenn Grüne Männer und Weise Frauen im tiefsten ihres Innern göttlich sind, weshalb strahlen sie das nicht ständig aus? Oder anders gesagt: "wie können unvollkommene Formen die Essenz verkörpern? Wie können Grüne Männer, die oft nicht sehr "einladend" aussehen, trotzdem göttlich sein?* Antwort: sie verkörpern das ganze Leben. In Gegensatz zu patriarchalen, absoluten Gottheiten die nur in idealisierter Form dargestellt werden - Buddha, Jesus, Maria - vertreten die Grüne Männer und Weise Frauen das Leben so wie es ist. Und dieses Leben bewegt sich ständig von niedrigen Stufen zu den höheren und umgekehrt. Das heißt vom Ego bis zur Erleuchtung und zurück. Es ist wie eine Blume: morgens öffnet sie sich, während sie sich abends schließt. Oder: im Zentrum gibt es Ewiger Absoluter Frieden, während an der Oberfläche sich immer was bewegt. Sei doch mal ehrlich. Auch wenn Du mal eine spirituelle Einheitserfahrung hattest, die Effekte sind nicht permanent. O, ja, etwas vom Unendlichen ist immer im Hintergrund, aber im Vordergrund - wie oben schon gesagt - geht das "normale" Leben weiter. Die Perfektion gilt nur das Innere, das Äußere wird das nie (komplett) sein. Daher daß unsere ständige Aufgabe auf dem spirituellen Weg die Integration des Weltlichen in das Geistliche, des Ego in das Neue Selbst, ist. Der Grüne Mann umarmt beide Dimensionen zur gleichen Zeit - es gibt leidende, wütende, häßliche, liebevolle, schöne, freudvolle und.....ganz tief die Perfektion -   und ist deswegen viel realistischer bzw ehrlicher im Vergleich zu unseren früheren Idealbildern. Grüner Mann und Weise Frau leben das Leben so wie es ist...bewußt, voll und mit Leidenschaft

* Man sollte auch nicht vergessen, daß viele Grüne Männer von der Kirche absichtlich häßlich usw dargestellt wurden, als Abschreckung.....



1.7 DER GRAL: WEG DES GRÜNEN MANNES

Der Gralmythos ist unübertroffen, kein spirituelles bzw religiöses System in der Welt kommt ihn gleich.....

Der Gralmythos wie er im Mittelalter entstand, ist der Weg des Grünen Mannes un der Weisen Frau. In ihm steht Parsifal ("der durch das Tal geht") zentral. Vor dieser Zeit war der Grüne Mann "nur" ein Vegetationsgott, der "automatisch" das Gesetz von "sterben und Wiedergeburt" folgte, also eher "unbewußt". Mit Parsifal wurde "der Gral" zum spirituellen/ psychologischen Weg, ein Weg der der individuellen und überindividuellen! Ganzwerdung dient. Die Wesensmerkmale sind folgende. Von der Mutter alleinerzogen (denke an die heutigen Alleinerzieherinnen....), d.h. als Mitglied der alten Muttertradition geboren worden. Seine Mutter beschützte ihn aus Angst daß er Ritter werden möchte, sprich vom Ego, dem Patriarchat, verführt wird. Genau das passierte. Er tritt ein in die Ego-phase seines Lebens, gekennzeichnet durch Selbstzentriertheit, Erfolg und Fehler. Seine Mutter hatte ihn gesagt die Frauen zu respektieren bzw nach seiner Anima - Intuition, Gefühl und Sanftheit - zu lauschen, was ihm nur schwierig gelang. Nichtdestotrotz sind es immer wieder die (Weise) Frauen die ihn beraten und lenken. Die Weise Frauen erfüllen hiermit ihre eigene Rolle im Mythos, nämlich die durch ihren direkten Kontakt mit dem Ewig-Weiblichen die Vorgänge vorauszusehen und beeinflußen zu können.

Durch die ständige Kämpfe ermüht, bekommt er den Rat seine Mutter aufzusuchen, d.h. sein Ego ist ausgetobt und er fragt sich "ob das alles war im Leben". Er kehrt zurück zu seinem Geburtshaus (er kehrt in sich ein....), aber vernimmt daß sie tod ist. Was heiß, er kann nicht in die frühere Abhängigkeit zurückkehren. Stattdessen wird er zu einem Burg geführt, wo sich "der Gral" befinden sollte. Der Gral ist das Symbol der Kosmischen Mutter*. Also, statt seiner biologischen Mutter wird ihm die Urmutter angeboten, die wirkliche Quelle allen Lebens. Er wird sehr freundlich von Amfortas empfangen, der König der tödlich verwundet ist, aber nicht sterben kann. Das Land ist dadurch in eine Wüstenei verwandelt, und alle hoffen auf einen Retter, der die Gesundheit der Erde wiederherstellen kann. Abends wird gefeiert. Sieben Jungfrauen (Weise Frauen) tragen den Gral* auf einem prächtigen grünen! satinen Tuch in den Saal und zeigen ihn dem Parsifal. Er genießt es außerordentlich, während er es "alles einfach geschehen läßt", bzw sich nicht um die Bedeutung der ganzen Szene kümmert. Die Erklärung: dem Parsifal wurde die Erleuchtung beschert und in diesem Moment ist das Ego verschwunden, also kann man tatsächlich auch nichts nachfragen. Aber nach diesem Moment kommt das Ich wieder zurück. Um fruchtbar zu werden, soll auch das Ich verstehen, was da passiert ist, denn die Erleuchtung ist mehr als ein persönliches Vergnügen. Versteht man nämlich nicht, daß das Sein eine Verpflichtung zum Ganzen beinhaltet, dann war die göttliche Bescherung umsonst.....

* Mal als "Faß des Überflußes", mal als "Stein" beschrieben. Letztere ist ein schwarzer Meteorit, ebenfalls Symbol der Kosmischen Mutter (Kybele)....

Diese Ignoranz kommt ihn teuer zu stehen. Denn am nächsten Morgen ist alle Glanz verschwunden. Er hat sich einfach als unwürdig erwiesen. Er wurde deswegen mit der totalen Abwesenheit des Ultimen konfrontiert. Letztere hatte sich von ihm zurückgezogen, oder besser gesagt: die Kosmische Mutter zeigte jetzt Ihre destruktive Seite (um sein Übermaß an Ego zu vernichten......). Er wurde total "auf sichselber zurückgeworfen". Was eine neue Periode der Entfremdung einläutete: "Die Dunkle Nacht der Seele". Diese ist deswegen so grausam, weil man jetzt um den Ursprung, die letztendliche Erfüllung weiß, aber nicht im Stande ist sie zurückzubekommen. Parsifal erlebte deswegen viele Jahre der totalen Deprivation, nichts hatte mehr Bedeutung für ihn. Ohne Unterstützung von "oben" ist man wieder dem Ego ausgesetzt, aber diesmal ohne irgendeiner Ehrgeiz, Ziel oder Erfüllung. Das Leben ist total sinnlos geworden. Noch am Ende dieser Periode wird er von der häßlichen Kundrie, die die die negative Seite der Großen Mutter verkörpert, beschimpft, weil er nach einer so harten Schulung noch immer sein Ego bzw Eitelkeit nicht los ist. Und tatsächlich, wenn man sein Leiden - das hervorragende Instrument bei der Überwindung des Ego's schlechthin - nicht vollständig zuläßt, wird das Ego zu Widersacher. Die Gefahr: ein ständiger Kampf gegen seine Negativität, die man aber nie loswird.....Nach dieser letzten Prüfung bereut Parsifal und betritt aufs Neue den Gralburg.

Wiederum wird ihm von den Jungfrauen (Göttinnen, Weise Frauen, die weil sie Frau sind in diesem Geheimnis eingeweiht sind!)* den Gral gezeigt. Diesmal macht er den Fehler nicht und fragt nach der Bedeutung für das Ganze bzw der Ursache des Königs' Krankheit. Im selben Moment stehen alle auf und jubeln. Parsifal hat die Prüfung bestanden und alles hat sich schlagartig verwandelt. Der alte König ist versöhnt mit seinem Sterben, das Land ist auf einmal wieder grün und üppig, die Menschen strahlen vor Glück. Es ist diese Schlußszene, die mit der ganzen Tradition der "sterbenden und wiederaufstehenden Göttern" übereinkommt. Deswegen ist der Parsifalmythos die mittelalterliche Fortsetzung derselben. Der Amfortas symbolisiert das Alte, das sich am Ego klammert, nicht leben, aber auch nicht sterben kann. Parsifal ist der junge Gott - der Grüne Mann - der das Alte ablöst. Um das zu bewerkstelligen, mußte er aber erst um seine Rolle wissen, seine Funktion im Ganzen. Weiß man das nicht, dann ist jede Erleuchtung eine Verschwendung. Denn das ultime Ziel ist fruchtbar zu werden, zum Wohle von allen und alles**.....Und was außerordentlich wichtig ist: nicht aus sichselber, sondern im Auftrag von bzw Dienstbarkeit an das Allerhöchste, das was ihm seine Position beschert hat, nämlich der Gral, die Alles-Umarmende Urmutter, die Leere jenseits der Leere, das Faß des Überflußes....   

* Das trifft nur zu wenn sie "genügend Weiblichkeit" besitzen. Viele moderne Frauen sind genauso mit ihrem Ego und Männlichkeit identifiziert wie die Männer. Das hat mit der Verwirklichung ihres "Animus" zu tun, eine an sich positive Entwicklung. Werden sie jedoch davon beherrscht, werden sie blinde Unterstützer des patriarchalen Systems (Karriere, Geld, Macht). Diese Frauen sollten dann eher dem Parsifal folgen....

** Der Gralmythos steht als praktische Anwendung zur Verfügung: siehe LINK: "Der Universelle Weg". Siehe auch: LINK: Die Gral Bildergalerie   

In der niederländischen Sprache gibt es ein sehr schönes Wort: "Vol-Ledigheid". Es bedeutet Fülle und Leere als zwei Aspekte des Daseins die zur gleichen Zeit existieren. Große (spirituelle) Erfahrungen bestätigen es. Wenn das Ego auflöst in das Ewige (Fülle), dann ist das Ego verschwunden (Leere). Nur selten kann man auch erfahren, daß das Ewige (Fülle) seinerseits vom Absoluten Nichts (kurz) vernichtet wird. In beiden Fällen wird das normale Leben danach mit einer Überfülle an Einsichten, Liebe, Freude, Kreativität und Kraft gesegnet. Leere als Bedingung dafür um aufs Neue geboren zu werden.....Das ist nicht in Gegensatz zu was oben gesagt wurde. Beide sind wahr! Nicht verwunderlich also, daß die Menschheit immer nach diesem "Faß des Überflußes" gesucht hat. Im Osten die Erleuchtung, im Westen....der Gral. Nun bin ich auf meinen Rundreisen - neben der Tatsache daß mir schon in 1974 eine Gralsvision beschert wurde (Link: Die Gralsvision) - zu meinem Erstaunen überall Gralssymbolen begegnet. Ganz sichtbar in und auf Kirchen. Der Gral war also nie total aus dem Bewußtsein verschwunden. Man muß ihn nur sehen können! Er symbolisiert die unendlich lebenschenkende Gebärmutter des Kosmos. Und wo die Mutter ist, dort sind der Grüne Mann und die Weise Frau nicht fern. Letztere sind Ihre Hüter und Hüterinnen. Ins Besondere in der Renaissance - wo die Herrschaft der Kirche etwas nachließ - wurden überall Gefäße mit Blumen und Früchten gemeißelt. Gute Bespiele: LINK: Alcobaça, León und viele, viele andere Orte. Der Gral is also ein Zeichen der Hoffnung. Möge der (spirituelle) Überfluß auch in unserem Leben zurückkehren! 

1.8  VOM CHRISTENTUM DEMONISIERT


Der Grüne Mann und die Weise Frau wurden aus zwei Gründen von der Kirche geduldet bzw sogar gefördert. Beide waren Symbole aus vor-christlichen "heidnischen" Zeiten. Das Darstellen diente den Zweck dem Volke zu zeigen, daß dies überholte, kraftlose, bedeutungslose und verdammte! Bilder seien. Deswegen gibt es viele Vorstellungen in denen häßlich aussehenden Grünen Männern von christlichen "Heiligen" buchstäblich mit Füßen getreten werden. Link: Oppenheim, Chartres, Perignac zB Auch werden Menschen die sich mit der Natur (bzw alten Glauben) identifizieren von Monstern verschlungen. Alles als Warnung gemeint. Es ist eine Tatsache, daß weit in das Spätmittelalter hinein die Kirche noch erhebliche Anstrengungen brauchte um den "alten Glauben" auszurotten. Es war riskant Symbole offen zu zeigen, aber die Kirche meinte keine Wahl zu haben. Neben den Grünen Männern sind Frauen sehr oft als Ursache des Übels porträttiert worden. Link: Konstanz, Ansbach zB. Logisch daß die Grüne Männer nicht "amüsiert" waren. Zur gleichen Zeit benutzten die Bildhauer die Situation um die positive Seite darzustellen. Letztere waren auf der Seite des Volkes (und der weltlichen Obrigkeit). Beide hatten ihre Verbindung zum alten Glauben weitgehend behalten. Sie schafften es - manchmal offen, manchmal im Verborgenen, abhängig von der örtlichen Situation - die verschiedensten Arten von Grünen Männern und Weisen Frauen zu kreieren. Oft wurde das Leiden bzw die Unterdrückung der alten Götter/Göttinnen benachdruckt. Deswegen sind oft zwei Grüner Manntypologien zu beobachten: der häßliche, so wie die Kirche ihn sah, und der leidende, so wie die Menschen ihn sahen. Eine sehr besondere Variante ist diejenige wobei Grüne Männer als verdrängte Inhalte des Unterbewußtseins fungierten. Link: Salamanca, Claustro de Dueñas

Wie anders sieht es in Batalha, Portugal aus. Aus Dankbarkeit für einen Sieg wurde dort die Kathedrale vom weltlichen Herrscher Joao l erbaut. Ohne Einmischung der Kirche. Eine einzigartige Situation die sich direkt an die Phänomenologie der Grünen Männern ablesen läßt. Sicherlich auch von seiner Frau beeinflußt, Philippa von Lancester, eine Engländerin (und später von den Templern), sehen die Grüne Männer von Batalha ohne Ausnahme - und es gibt dort hunderte - entspannt, selbstbewußt, ausgeglichen, zufrieden und glücklich aus. Unglaublich für diejenige die nur mit den Nord-Europäischen Masken vertraut sind. Das ist jedoch nicht alles. Im Inneren der Kathedrale besteht ein Drittel aller Masken aus Frauengesichtern! Batalha ist deswegen das absolute Höhepunkt der Grünen Mann bzw der Weisen Frau Queeste. Er ist ein Zeichen der Hoffnung, eine Gewißheit, daß wenn die Umständen günstig sind - und dazu müßen wir selber die Voraussetzungen schaffen - das Immanent Göttliche sich aufs Neue in der Geschichte manifestieren wird. LINK: Batalha Wegen seiner Einzigartigkeit haben wir Batalha, Tomar (Hauptquartier der Templer) und Alcobaça (Kloster der erleuchteten Zisterzienzern) das "goldene Dreieck" genannt. Innerhalb von wenigen Quadratkilometern ist hier soviel zu erleben, daß wir die Region als ein neues PilgerZiel vorstellen und fördern möchten. LINK: Tomar, Alcobaça

Unabhängig, zum Allgemeinnutzen,ausdrücklich auch  zur Förderung des interreligiösen Dialogs
(Nicht-kommerziell, nicht konfessionell, nicht-sektarisch, kostenlos einem jeden zur Verfügung gestellt)

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